SpreeSediment | Wettbewerb Kunst am Bau | Mierendorff-Rundweg Charlottenburg-Wilmersdorf | Berlin | 2021
Mein Onkel war Dichter, an seine Werke erinnere ich mich nur grob, es sind eher die Geschichten und Anekdoten, die mir geblieben sind. So erzählte er einmal, er hätte seine Schreibmaschine in die Spree geworfen, dort würde sie heute noch auf dem Grund liegen. Wer weiss, was alles in der Berliner Spree landet und über die Jahre vom Schlick und der Vergänglichkeit vergraben wird. Vielleicht ist es besser, dass der Fluss vieles verbirgt. Seine eigene Geschichte eiszeitlicher Formungen, die frühe Siedlungsgeschichte, die spätere königlich und bürgerliche Prägung Charlottenburgs und natürlich die von Berlinern und Gästen. Mierendorff & Co. damals. Bunte Mischung heute. Alles drin. Ganz stofflich wird auch eine andere Markante des Flusses sichtbar: hohe Werte an Zink, Chrom und Blei sind in den Sedimenten zu finden. Auch hier scheint die urbane Signatur eindeutig. Würde man überdimensionale Sedimentproben aus der Spree ziehen, wäre das Zeitalter des Menschen, die Geschichte Charlottenburgs und sicher auch die Gegenwart der Insel deutlich zu erkennen. Zwischen den natürlichen Ablagerungen gäbe es Anomalien und Artefakte. Spuren von Vergangenem und Zeugen der Gegenwart. Vielleicht zeichnet sich auch Zukunft ab.
Die künstlerische Idee ist, idealisierte Sedimente der Spree aus dem Boden der Insel wachsen zu lassen, diese als durch- oder begehbare Markierung der Eingangssituation zum Rundweg zu ordnen und einen Bezug zu den vom Auslober beschriebenen Nutzungspotenzialen der Insel entstehen zu lassen. Die vier charakteristischen Spitzen der Mierendorff-Insel sollen auf einen kleineren Massstab geschrumpft werden und als Grundriss für vier Sedimente dienen. Standort ist der ausgelobte Platz in der Gabelung des Weges sowie drei weitere Punkten rechts und links am Weg in proportionaler Weise. Als Material soll Stampflehm als Reminenz an natürliche Baustoffe genutzt werden. In einer Schalung wird Baulehm mit mineralischen Zuschlägen aus Grobsand oder Kies geschüttet und Schicht für Schicht gestampft. Durch das Schichten und Stampfen entsteht eine sedimentähnliche Struktur mit malerischen Zügen. Verschiedenfarbige natürliche Lehmarten können genutzt werden. Künstliche Pigmentmischungen können ebenfalls beigefügt werden, um das Spektrum zu erweitern. Eine graffiti-resistente und wartungsarme Skulptur ist aufgrund des Standortes angedacht. Die Objekte sollen jeweils auf einem 2,5 m hohen Sockel aus gefärbtem Beton mit Graffitischutz errichtet werden, der sich jedoch als Teil des Gesamtbildes entwickelt. Die oberste Schicht besteht wiederum aus Beton, welcher als Abschluss und Wetterschutz für den Lehm dient. Abschließend soll ein Firnis aus Leinöl auf die Wände aufgetragen werden, welcher das Material witterungsfest macht.