FOX 7D

Jacquardgewebe | handgewebt | 3D | 170 x 70cm – 170 x 90cm | 2010

Vor langer Zeit besuchte ich mit meiner Familie Disneyland in Paris. Dort lebten wir vier Tage lang in einer perfekten Plastikwelt mit Popcornverkäufern, als Trickfiguren kostümierten Arbeitern und nur aus Robotern bestehende Gestalten, deren permanentes Dauergrinsen uns sofort ansteckte. Die meisten Attraktionen waren restlos mit kreischenden Menschen überfüllt, Maschinen rotierten in alle erdenklichen Richtungen, und es schien mir, je lauter das Geschrei ihrer Insassen war, sie ihr Tempo absichtlich noch zu erhöhen schienen. 

Dann betraten wir ein 3D-Kino. Am Eingang des Kinosaals bekam jeder eine bunte Brille in die Hand gedrückt. Diese setzte ich natürlich sofort auf, sah und beobachtete erstaunt, wie alles um mich herum, zuerst der Flur, dann der Kinosaal mit seinen Stühlen und der Leinwand, eine rot und blau stichige Färbung einnahm und die Welt nicht mehr mit realen Gegenständen gefüllt war, sondern alles wie in einer computergesteuerten Projektion zu flimmern schien. Als der Film begann, bekam die flache Leinwand plötzlich eine ungeahnte Tiefe, Gestalten fingen an, aus ihr regelrecht heraus zu fallen und der Horizont der gezeigten Landschaften schien sich kilometerweit nach hinten durch die Leinwand zu erstrecken. Wahrscheinlich von Neugierde angetrieben setzte ich die Brille ab und blickte auf eine plane Fläche dessen verzerrt abgebildeten Figuren von einer rot und blau leuchtenden Umrandung begrenzt waren. Dieses unwirkliche Bild faszinierte mich umso mehr. Ich versuchte dem Geheimnis von der vorgeblich räumlichen Tiefenwirkung auf den Grund zu gehen, setzte die Brille immer wieder kontrollierend auf und bemühte mich Anhaltspunkte für die Lösung des Rätsels zu finden. Diese sehbar reale Illusion musste im Bezug zu Bild und Brille stattfinden, oder war es vielleicht nur die Brille? Eine Zauberbrille, die die Fiktion erlebbar machte und auch beim betrachten der Wirklichkeit ihr etwas von einer Scheinwelt einflößte? 

Wenige Jahre vor diesem Erlebnis hätte ich mir, mit einem aus Löwenzahn geflochtenen Kranz als Krone und einem Strohballen als Thron, Prinzessin spielend spielend, nie träumen können der Fiktion nicht nur in der Phantasie sondern auch in der realen Welt so nah sein zu können. Dem Fuchs, wie Sie ihn hier sehen, galt schon damals meine Sympathie, denn er symbolisierte für mich einen Boten zwischen der realen und imaginären Welt. So wirklich er war, so oft tauchte er auch in Fabeln und Märchen auf und es war äußerst seltsam so vieles über ihn zu wissen und zu hören und gleichzeitig ihn nie wirklich zu Gesicht bekommen zu haben. Daher schien es mir nicht verkehrt ihn auf die gleiche Realitätsstufe wie die des Einhorns zu setzen. 

So unglaublich real wie das 3D-Kino zu sein schien und doch gleichzeitig unglaublich illusionär war, so paradox war für mich die magisch wirkende Gestallt des Fuchses. 

Als Vorlage der Jacquardwebereien und Malereien dienten mir selbst erstellte 3D-Fotografien in digitaler Form. Diese digitalen nur auf dem Bildschirm flimmernden, nicht fassbaren Dateien bemühte ich mich in möglichst greifbar reales Material wie Garn und Farbe umzusetzen. Das dreidimensionale Geheimnis der Bearbeitung der Bildpunkte im Textilprogramm, die Bestimmung jeder Ketthebung und -senkung sowie der Auftrag eines jeden Farbtupfers mit dem Pinsel zu erforschen war mein Ziel, um die Illusion erlebbar zu machen. Zusätzlich schien es mir, als sei dem Webstuhl bewusst, was er dort webte, nachahmend formte er aus den Garnen ein Relief, sodass die Webereien in einer tatsächlich tast- und sehbaren Dreidimensionalität wuchsen. 

Scroll up